Hemmoorer Schriftsteller

Friedrich Boßdorf, in Norddeutschland bekannter Dramatiker und Balladendichter, wurde als Sohn des Oberpostschaffners Hermann Boßdorf am 29. Oktober 1877 in Wiesenburg im Hohen Fläming südwestlich von Potsdam geboren. Er besuchte zunächst die Volksschule seines Heimatortes, später die Schule in Hamburg.

Seine Ausbildung zum Postbeamten absolvierte Boßdorf ab Oktober 1896 am Kaiserlichen Postamt in Basbeck. In dieser Zeit lernte er die etwas schwermütig anmutende Landschaft an der Oste und die dort lebenden Menschen kennen und lieben. Er erfuhr von ihnen manch geheimnisumwoben-grauenbehaftete Geschichte, die er dann in seinen späteren Werken verarbeitete. Während seiner Basbecker Zeit lernte er dänisch und schwedisch, was ihn in die Lage versetzte, Werke nordischer Dichter im Original zu lesen. Diese Beschäftigung mit dem Nordischen weckte auch sein Interesse für seine Heimatsprache. Er schrieb deshalb in plattdeutscher Mundart und wurde so zum Wegbereiter der besonderen Kulturmission des Plattdeutsch-Theaters. Das Mysteriendrama „De Fährkrog“, sein Hauptwerk, handelt von einem geheimnisvollen Mordfall im Basbecker Fährkrug am Osteknick, der seinerzeit die Menschen bewegte. Der Riesenerfolg dieses seines ersten niederdeutschen Dramas, uraufgeführt im Thalia-Theater Hamburg am 5. April 1918, veranlasste die „Hamburgische Gesellschaft für dramatische Kunst“ 1919, sich als „Niederdeutsche Bühne“ künftig ausschließlich der Heimatkunst zu widmen.

Hermann Boßdorf hat auch auf dem Gebiet der niederdeutschen Lyrik Lesenswertes hinterlassen. Das Lustspiel „De rode Ünnerrock“ wurde 1965 verfilmt.

Auf Grund seiner Krankheit, einer Rückenmarkschwindsucht, war er bereits seit 1917 im Ruhestand. Verstorben ist Hermann Boßdorf im viel zu frühen Alter von 43 Jahren am 24. September 1921 in Hamburg. Auf dem Ohlsdorfer Friedhof fand er seine letzte Ruhestätte.

Seine Veröffentlichungen:
Balladen, Tragödien, Dramen
 Humoresken, plattdeutsche Geschichten
 Sein Hauptwerk, een dramatisch Gliknis in dree Akten
“De Fährkrog”
 Uraufführung im Thalia Theater Hamburg am 5.4.1918
Weitere Werke: u.a.
 Bahnmester Dod, Kramer Kray, De rode Ünnerrock,
 Rode Ucht, Simson und die Philister, Ole Klocken
 Eichen im Sturm, Der Schädel vom Grasbrock
 Der verhexte Karnickelbock, Eekboom Dat Schattenspeel
 Der Postinspektor, De swarte Mann, Letzte Ernte


Elisabeth Rühmkorf wurde am 27. Januar 1895 als Tochter eines Superintendenten in Zebelin im niedersächsischen Landkreis Lüchow-Dannenberg geboren. Ihre Ausbildung zur Lehrerin absolvierte sie auf dem Oberlyzeum in Schwerin in Mecklenburg.

Bis zur Beendigung ihrer 35-jährigen Dienstzeit im Jahre 1960 gab Elisabeth Rühmkorf Unterricht an der Volksschule Warstade, schwerpunktmäßig Heimatkunde und Religion. Nach ihrer Pensionierung brachte sie mit Tinte und Feder zu Papier, was ihr am Herzen lag: frohe und traurige Familienerinnerungen, eine Genealogie der Familie Rühmkorf und auch Geschichten und Sagen ihrer Warstader Heimat. 1966, sie war bereits 71 Jahre alt, lernte sie noch auf der alten Schreibmaschine ihres Sohnes mit zwei Fingern zu tippen.

So entstand ihr doch recht schmales Werk, von dem besonders „Warstade – Ein Ausflug in die Vergangenheit” (1980 im Selbstverlag) bis heute von großem lokalgeschichtlichen Interesse ist.

Im Jahre 1989, am 9. Februar, ist Elisabeth Rühmkorf im Alter von 94 Jahren verstorben. Auf dem Warstader Friedhof fand sie ihre letzte Ruhestätte.


Joachim Rückleben wurde am 28. Januar 1921 als Sohn eines Gendarmen in Neuhaus/Oste geboren.

Nach dem 2. Weltkrieg baute er sich in Warstade eine Existenz als freischaffender Architekt auf. Nebenbei betätigte er sich als Hobby-Historiker und verfasste das zweibändige, autobiografisch geprägte „Du verdammter Schupobengel“, in dem er auf 1091 Seiten die mannigfaltigen Gründe beschreibt, die aus seiner Sicht so viele Deutsche in die Arme der Nationalsozialisten trieben.

Joachim Rückleben verstarb im Alter von 90 Jahren am 17. März 2011 in Hemmoor.


an Dieken

Heiko van Dieken wurde am 26. Januar 1929 als Sohn des ostfriesischen Heimatdichters und Botanikers Pastor Jan van Dieken in Krummendeich an der Niederelbe geboren.

Als Siebenjähriger schrieb er erste Reime und Phantasiegeschichten, als Elfjähriger begann er regelmäßig Tagebuch zu schreiben. Den Zusammenbruch des Dritten Reiches erlebte er als Befreiung und schrieb das auch in sein Tagebuch, das er 1995 in „Marschbefehl und Krippenspiel“, seinen Erinnerungen an das Kriegsende, auswertete. Die Nachkriegsjahre waren für ihn trotz aller Not das „Ende innerer und äußerer Verdunkelung“. Nach dem Abitur studierte er in Wuppertal, Marburg und Göttingen Theologie und Germanistik und kam 1962 als Assessor an das Gymnasium Warstade, wo er bis zu seiner Pensionierung unterrichtete.

Von seinen Werken ist besonders zu nennen „Ende der Verdunklung“ (1998), „Wallhecken und Wolkenkratzer – Erinnerungen an Reiseerlebnisse im 20. Jahrhundert“ (1999) sowie „Bombenkrieg und Kinderjahre“ (2003). Auch als Herausgeber einiger Werke seines Vaters ist er hervorgetreten. In „Literaturwüste City Nord: Hamburg-Geschichten rund um die City Nord“ ist er als Mitherausgeber vermerkt (2007). Im Sommer 1992 trat er als Oberstudienrat in den Ruhestand. Einen Tag vor Heiligabend im Jahre 2017 ist Heiko van Dieken im Beisein seiner Frau Ingeborg in seinem Haus in Hemmoor gestorben.


Peter Rühmkorf, geboren am 25. Oktober 1929 in Dortmund als unehelicher Sohn der Warstader Dorfschullehrerin Elisabeth Rühmkorf, in Warstade aufgewachsen, gestorben am 8. Juni 2008 in Roseburg in Schleswig-Holstein.

Und dazwischen? Stipendiat der Deutschen Akademie Rom Villa Massimo, Erich-Kästner-Preis für Literatur, Annette-von-Droste-Hülshoff-Preis, Heinrich-Heine-Preis des Ministeriums für Kultur der DDR, Ehrenpromotion durch die Justus-Liebig-Universität Gießen, Georg-Büchner-Preis, Carl-Zuckmayer-Medaille, Joachim-Ringelnatz-Preis plus etwa 20 weitere Ehrungen.

Und wofür? Anlässlich seines Todes schrieb die FAZ: „Unter den engagierten Dichtern seiner Generation war er der Spielerischste, unter den Sprachspielern der Engagierteste.“ Literaturpapst Marcel Reich-Ranicki nennt ihn einen „feinsinnigen Ästheten, raffinierten Schöngeist und exquisiten Ironiker“. Im NDR heißt es: „Virtuose Sprachspiele, ungewöhnliche Bilder, Reime und Rhythmen sowie Wortwitz waren seine Markenzeichen.“ Die Auswärtige Presse urteilt: „Der vielfach preisgekrönte Dichter Peter Rühmkorf gehört zu den bedeutendsten Lyrikern und Essayisten der bundesdeutschen Nachkriegsliteratur.“ Und die Schriftstellerkollegin Ulla Hahn: „Rühmkorf konnte so gut wie alles und alles gut. Konnte reimen, dass sich die Bananen bogen, reimte poofen auf Feuerofen, Adorno auf hardcoreporno, Bolle auf Frühlingsrolle; witzig, bissig, nie platt. Mutig und zart zugleich, eine seltene Mischung.“ Dazu kommen zahllose weitere in verschiedenen Medien veröffentlichte Würdigungen – nicht erst anlässlich seines Todes und seines 90. Geburtstages. Peter Rühmkorfs umfangreiches Œuvre bietet fast alles – bis auf Romane. Die meisten seiner Werke sind in jeder deutschen Buchhandlung zu bekommen. Man lasse sich dort beraten. Wer Autobiografisches aus seiner Jugendzeit in einem kleinen Dorf an der Oste lesen möchte, dem sei am ehesten „Die Jahre die ihr kennt“ (1972) empfohlen.


Dr. Peter Schütt, in Hamburg lebender Autor, nahm am 25.10.2019 an einer Podiumsdiskussion in der Kulturdiele in Hemmoor teil. Anlass war der 90. Geburtstag des 2008 verstorbenen Schriftstellerkollegen Peter Rühmkorf. Der Moderator stellte ihn mit folgenden Worten vor (hier teilweise ergänzt):

Dr. Schütt, Sie vorzustellen ist ja eigentlich „Eulen nach Athen tragen“, denn Sie waren erst vor einem knappen halben Jahr für eine Lesung ihrer Werke hier in der Kulturdiele. Sie sind ja ein Hemmoorer, genauer gesagt ein Basbecker Gewächs, hier geboren am 10. Dezember 1939, hier als Lehrerkind aufgewachsen und zur Schule gegangen – sogar ein paar Jahre aufs Gymnasium Warstade – damals noch „Private Oberschule“, aber Ihr Abitur mussten Sie in Stade ablegen, das war damals hier noch nicht möglich. Bei Ihrem farbigen, ich möchte sagen mäandierenden Lebenslauf muss ich mich hier auf das Allernotwendigste beschränken: Sie haben Germanistik und Geschichte studiert, wurden mit einer Arbeit über einen schlesischen Barockdichter promoviert und haben in Ihrem Beruf als „freier Schriftsteller“ eine beeindruckende Publikationsliste vorzuweisen: Gedichte und Reportagen, Feuilletonartikel in FAZ und SPIEGEL u.a.m. In einem Gedicht haben Sie gesagt: „Ich gehe nicht von Bord, ich bleibe unterwegs“. Das stimmt ohne Zweifel, Sie waren lange Zeit ein Suchender zwischen Konfessionen und politischen Überzeugungen. Sie waren Protestant, dann Katholik, sind dann zum Islam konvertiert. Sie waren einmal der „Hofdichter der DKP“, wurden aber wegen Gorbatschow-Unterstützung aus der Partei ausgeschlossen und sind heute parteilos. Die Titel Ihrer Werke sind das Spiegelbild eines Lebensweges: Faustregeln für Klassenkämpfer, Dortmund 1970; Vietnam 30 Tage danach, Dortmund 1973; Entrüstet Euch!, Dortmund 1982; Die Himbeersoße kam vom KGB, Dortmund 1989; Mein letztes Gefecht, Böblingen 1992; Von Basbeck am Moor über Moskau nach Mekka – Stationen einer Lebensreise, Asendorf 2009.

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