Hemmoorer Sagen

Hemmoorer Sagen



Mord in Wedelsforth

Jeder, der „früher“ die Landstraße von Warstade nach Lamstedt entlangwanderte, konnte bei Wedelsforth eine ins Auge fallende Eichengruppe bewundern und kannte wohl auch die Sage von den „Sieben Eichen“, die sich damit verband. Vielleicht sollte man sagen „eine der Sagen“, denn es gibt – nicht ungewöhnlich bei dieser Erzählform – mehrere Versionen, die wir hier wiedergeben.

7 Eichen

Elisabeth Rühmkorf (1895 – 1989), über 30 Jahre (bis 1960) Volksschullehrerin in Warstade, hat zwei davon aufgeschrieben und in ihrem Büchlein „Warstade – ein Ausflug in die Vergangenheit“ (Selbstverlag, 1980) veröffentlicht.

Ältere Warstader werden sich an die Wandertage mit „Frl. Rühmkorf“ erinnern, die auch zu den sagenumwobenen Plätzen wie dem „Blocksgrund“, dem „Galgenberg“ oder eben den „Sieben Eichen“ führten.

Ein Jude kam vom Lamstedter Markt und ging ahnungslos in der Nähe von Wedelsforth querfeldein. Er hatte keine großen Geschäfte auf dem Markt gemacht und trug keine Tasche voll Geld nach Hause, wie es der Mann annahm, der ihm auf seinem Wege begegnete. Der Fremde packte den Juden, schlug ihn tot und kehrte ihm die Taschen um. Er fand kein Geld, sondern nur ein paar Eicheln, die der Jude wohl irgendwo abgepflückt und in die Tasche gesteckt hatte. Ärgerlich verscharrte er sein Opfer und ging seiner Wege. Im nächsten Jahre wuchsen auf diesem Platz 7 Eichbäumchen aus der Erde, eines nahe beim andern, und da es eine selten begangene Stelle war, so konnten sie sich entwickeln und fröhlich wachsen, bis sie zu gewaltigen Eichbäumen wurden, die man heute weithin sieht und als „die 7 Eichen“ in der ganzen Gegend kennt.

Wohl nicht zufällig liegt dieser Sage ein altbekanntes Klischee zugrunde: Ein Jude wird ermordet, weil sein Mörder annimmt, dieser trage „eine Tasche voller Geld nach Hause“ – die angebliche Affinität „der Juden“ zum Geld ist hier Auslöser für das Verbrechen. [Anm. d. Verf.]

Vor vielen Jahren ging ein Handwerksbursche von Basbeck nach Lamstedt. Er war schon lange unterwegs, ohne Arbeit zu finden. Sein Beutel war leer, sein Magen knurrte. Als er bei dem großen Hof Wedelsforth vorbeikam, dachte er, hier kannst du dich einmal sattessen. Er klopfte an die Tür und bat bescheiden um etwas Essen. Man schlug ihm die Tür vor der Nase zu.  Er bat zum zweiten Male. Der Bauer wurde zornig und wollte den Hund auf ihn hetzten. Da verfluchte der Handwerksbursche den Bauern und seinen Hof. Noch heute würde der rote Hahn auf seinem Dache krähen.

Dem Bauern quälte den ganzen Tag sein Gewissen. Er bedauerte, dem armen Burschen nichts gegeben zu haben. Auch beunruhigte ihn die Angst, der Mann möchte seine Drohung wahr-machen und das Haus anzünden. Auch als er zur Ruhe ging, verließ ihn nicht die Erregung. Er erhob sich wieder, rief den Hund und nahm seine Flinte. Er wollte Wache halten. Da – was war das? Er sah einen Schatten ums Haus schleichen, ein Streichholz aufleuchten. Er wollte schie-ßen, aber die Flinte versagte. Noch einmal, wieder versagte sie. Er hetzte voll Angst den Hund, der rührte sich nicht. Er rief nach seinen Leuten – niemand kam. Da wußte der Bauer, daß der Strolch einen Bund mit dem Bösen geschlossen und alles gebannt hatte.

Gruseln lief ihm über den Rücken. In Wut ergriff er einen Knüppel und ging auf den Kerl los. Er jagte ihn einmal, zweimal um das Haus. Dann schlug er ihn über den Kopf, daß er zu Boden fiel. Der Bettler war tot, der Bann gebrochen, die Hunde bellten, seine Leute kamen. Sie halfen dem Bauern, der stöhnend auf der Erde lag, auf die Beine. Dann gingen sie daran, den toten Handwerksburschen etwas abseits einzukuhlen.

Einige Jahre vergingen. Da sah man, wie sieben Eichen aus seinem Grabe wuchsen. Der Bursche hatte wohl sieben Eicheln in der Tasche gehabt. Der Bauer und seine Leute sind längst gestorben und vergessen, aber sieben Eichen erinnern an die böse Geschichte.

Aus: Hake Betken siene Duven, Hg.Heimatbund der Männer vom Morgenstern, Bremerhaven

Die folgende plattdeutsche Version findet sich in „Volksdichtung aus dem Lande Hadeln“ von Heimatforscher Richard Tiensch aus Otterndorf (abgedruckt bei Elisabeth Rühmkorf):

De söben Eken bi Warstod stot ünner „Denkmolschutz“. Wenn Du dorhen wullt, denn mußt bit Basbeck föörn und denn no Looms to gan. Se stot dicht bi den Hoff Wedelsforth, kannst jem ober slecht finnen. Am besten is‘t, du frogst di dat no. Veel to seen is dor uk nich, bloß wegen disse Geschicht schult de Bööm ston blieben.

Op den Hoff Wedelsforth leew ins een riken Buer, dat wer so‘n groten Giezhals und Neitfink de nümt wat stännig weer. Een‘n Harsdag klopp ins een Butjer bi em an, de harr keen Schillen meer in de Fick un wull en beten wat eeten hebben. Ober he much noch so elenden un prellen, de dicke Buer reep den Hund un jog den Butjer weg. De weer bannig füünsch. He weer wol wat gewennt, ober so harr em noch nümt behannelt. Den Kerl, den wull he sick köpen!

He leep de Drift langs no de Strot, güng een lütjen Enn dorop wieder un sett sick in de Heid ünnern Eekboom. He wull sick dat nodenken, wie he den Buer een‘n anstecken kunn. Op de Eer legen en ganzen Barg lütje Eckern, dormit verdreef he sick de Tied. As dat schummern dä, brau de Hos in all de Grobens un op de Stückens, un as dat düster weer, to wuß he, wat he doon wull. Den Buern schull dat Huus opbrennen. He tööw, bit allens still un düster weer. Sinnig keem he no den Hoff. Ober de Buer harr sick uk opregt un harr keen Sloop kregen. He leeeg mit open Ogen innt Bett un hör den Butjer. He mark fuurts, wat de wull. He sprung op. In de Luch hung en Besemeer. Den kreeg he to foten, un den op em! As he de Döör opmok, kneep de Butjer ut. Ober de Buer wuß bi sick beter Bescheed. He worr em wies und nei em mit den Besemeer öbern Kopp. De Butjer wer fuurts doot. De Buer hol een Escher un bepurr em in de Heid.

No‘n poor Jor wussen op den Butjer sien Graff söben Eeken in enen Kreis. He harr söben Eckern in de Fick hat. De weern opkomen. Nu sünd dat dicke Bööm. Kannst seen, dat is all lang her!

Die Geschichte vom Blocksgrund

Block war der Name eines Lamstedter Pastors gewesen. Er hatte sich nicht so benommen, wie es einem Pastor geziemt. Er hatte sich nicht gescheut, in der Kirche die zu verfluchen, die dem Gottesdienst ferngeblieben waren. Zu Hause ergriff ihn bittere Reue, und er nahm sich vor, am kommenden Sonntag diesen Fluch zurückzunehmen. Aber in der Woche starb er. Nun konnte er im Grabe keine Ruhe finden. Jede Nacht kehrte sein Geist in die Kirche zurück, man hörte ihn poltern und von der Kanzel laut predigen. Die Leute, selbst unerschrockene junge Burschen, mochten abends nicht an der Kirche vorbeigehen, weil es dort spukte, wie man sagte. Gern wollten die Pastoren der Umgebung ihren Amtsbruder von diesem Fluch erlösen. Sie versuchten ihn zu beruhigen und ihn zum Schweigen zu bringen, aber es gelang ihnen nicht, weil der Pastor Block jedem von ihnen auch eine Sünde vorhalten konnte. Da holte man einen weit entfernt wohnenden unbekannten Pastor herbei, von dem Pastor Block nichts Böses wissen konnte. Er entdeckte an dem Schuh des Fremden eine Kornähre, die daran hängen geblieben war, als er achtlos durch das Kornfeld ging. Es gelang diesem Pastor wohl, Block aus der Kirche zu vertreiben, aber nun wurde Pastor Block dazu verurteilt, im Blocksgrund, der damals noch üppig mit Heide bewachsen war, die Heidestengel zu zählen. Das war eine bittere Arbeit, und er konnte nicht zu Ende kommen, weil er immer durchhin kam und von vorne anfangen musste.

Da jetzt fast alle Heide im Blocksgrund verschwunden ist, wollen wir hoffen, dass er doch endlich mit dem Zählen fertig geworden ist.  

Der „Blocksgrund“ liegt in der Nähe der kath. Kirche in Warstade – dort, wo heute die Bahn die Straße „An der Heide“ kreuzt.

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