Gymnasium Warstade
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„Die Oberschule hilft sich selbst“
Aktualisiert März 2020
Seit 1946 gibt es in Hemmoor gymnasialen Unterricht. Hauptsächlich die schlechten Eisenbahnverbindungen sind es, die nach dem Krieg den gemeinsamen Wunsch vieler Eltern nach einer höheren Schule in Basbeck oder Warstade wachrufen. Das Engagement mehrerer Hemmoorer Bürger und Kommunalpolitiker und die bereits 1945 erteilte Genehmigung zur Gründung eines örtlichen Schulvereins in Warstade tragen dazu bei, dass der Schulleiter des Athenaeums, Oberstudiendirektor Wohltmann, im Februar 1946 dem Warstader Bürgermeister mitteilen kann, dass „durch Verfügung des Herrn Oberpräsidenten die Parallelklassen des Athenaeums in Warstade (…) genehmigt sind“.
Am 4. März 1946 beginnt der Unterricht im Warstader Pfarrhaus, da dort die Feuerungsbeschaffung leichter erscheint als in der alten Schule in Warstade. Das Schulgeld beträgt 20 Reichsmark. Allerdings sind in Hemmoor nur die Klassen fünf bis sieben untergebracht. Die älteren Schüler der Klassen acht bis elf müssen die Stader Mutterschule besuchen.
Im ersten Jahr der „Oberschule Stade / Zweigstelle Warstade“ – so der offizielle Name – erhalten 51 Schüler der Klassen fünf und sechs Unterricht in den Fächern Deutsch, Rechnen, Englisch, Erdkunde, Biologie und Religion von Studienrat Dr. Peters und Studienassessorin Bedürftig.
Die finanziellen Mittel der neu gegründeten Schule sind sehr begrenzt. Um die Unterrichtsräume im Winter durchgehend heizen zu können, schlägt Peters im Sommer 1946 vor, die Herbstferien zu verkürzen und gleichzeitig die Weihnachtsferien zu verlängern, um so Feuerung zu sparen.
Bei seinen Recherchen für eine Festschrift anlässlich des 50jährigen Bestehens des Gymnasiums Warstade 1996 stieß Oberstudiendirektor Günter Dellies, von 1978 bis 1998 Schulleiter, auf ein Inventarverzeichnis aus dem Jahre 1949. Hier werden Schuleigentum und Leihgaben aufgelistet: 45 Stühle von der Zementfabrik, Wandtafeln gehören der Kirche und dem DRK, alle Schulbänke und zwei Tische sind Eigentum der Kirche, von der Molkerei Lamstedt gibt es drei Milchkannen für die Schulspeisung, das Athenaeum steuert vier Wandkarten, einen Zirkel, ein Lineal und ein Dreieck bei. Des Weiteren gehören sechs Tische, eine Pendellampe, vier 200-Watt-Birnen, drei 300-Watt-Birnen, ein Ofen, ein Eimer, ein Kohlenschütter, ein Handfeger, einige Lehrbücher und schließlich ein kleiner Koksvorrat im Keller des Pfarrhauses zum Schulinventar.
Am 27. Februar 1950 titelte die „Niederdeutsche Zeitung“ (Vorgängerin der „Niederelbe-Zeitung“): „Warstader Oberschule hilft sich selbst“. Die Zeitung schrieb damals: „In der früheren Rektoratsschule haben sich in den letzten vier Jahren beachtliche Dinge entwickelt, die bislang viel zu wenig gewürdigt wurden. Was hier in diesem kircheneigenen Gebäude (…) geleistet wurde, ist geradezu ein Musterbeispiel für so manche Großleistung, die sich in aller Stille, ohne viel Aufhebens davon zu machen, vollzog.“ Gemeint war hier ebenfalls die notgedrungen sparsame Wirtschaft der Warstader Oberschule, die sich selbst finanzieren musste.
Im Februar 1953 wird die Schule per Erlass des Kultusministers der Schulaufsicht der staatlichen Verwaltung der höheren Schulen in Hannover unterstellt. Im Oktober 1957 beschließt der Kreistag die Einrichtung einer Oberstufe in Warstade, die ein Jahr später mit der Klasse elf beginnt und im Frühjahr 1961 mit 20 Schülerinnen und Schülern als erster Jahrgang die Reifeprüfung – das heutige Abitur – ablegt.
Nachdem die Schule 1953 aus dem Pfarrhaus ausgezogen und zwischenzeitlich in zwei Baracken, die „einen hellen, freundlichen Eindruck machen“, untergebracht ist, erfolgt im März 1959 die Grundsteinlegung für einen Neubau durch den Ministerpräsidenten Heinrich Hellwege. Das Richtfest wird am 28. August 1959 von der NEZ als „bedeutender Tag für Land Hadeln“ gewürdigt. Ein Jahr später – also noch vor dem ersten Abitur – wird der Neubau eingeweiht.
Jetzt ist die Schule „in ruhiges, gesichertes Fahrwasser geraten“, so Dellies in der Jubiläumsfestschrift. Seit 1972 verwaltet die Bezirksregierung Lüneburg das Gymnasium Warstade. Es folgt das Reformabitur, mit dem 1979 das Kurssystem Einzug in die Oberstufe hält. Auch das Gesicht der Schule hat sich in der jüngsten Vergangenheit durch bauliche Maßnahmen weiter verändert. In den Jahren 1980 bis 1992 wurde das Gymnasium um einen musischen Trakt samt Aufführungsraum erweitert, der naturwissenschaftliche Fachbereich wurde umgebaut und erweitert, die Hausmeisterwohnung vergrößert, der Schulhof neu gestaltet und das Schulgebäude um einen Anbau vergrößert, in dem unter anderem ein Informatikraum untergebracht ist.
Die Schülerzahlen des Gymnasiums Warstade blieben in den 80er/90er Jahren mit circa 550 Schülerinnen und Schülern der Klassen sieben bis 13 weitgehend stabil. Mit dem Beginn des Schuljahres 2004 / 2005 hat sich die Zahl der Schülerinnen und Schüler drastisch erhöht. Im Zuge der Schulreform in Niedersachsen wurde die Orientierungsstufe aufgelöst. Das Gymnasium führt nun auch wieder 5. und 6. Klassen. Für das Gymnasium Warstade bedeutete dies einen Anstieg der Schülerzahlen auf fast 900 – bei unveränderter Zahl der Unterrichtsräume. Der Kreistag im Landkreis Cuxhaven hat die Weichen für diese Schule gestellt:
- Es gibt keine Außenstellen, d. h., das Gymnasium Warstade bleibt eine Schule an einem Ort für alle.
- Die Kehdinger Schülerinnen und Schüler aus dem Landkreis Stade werden weiterhin in Hemmoor beschult
- Das Gymnasium wird erheblich erweitert, um zukunftsfähige Lernbedingungen zu schaffen.
Die Atmosphäre am Gymnasium wird von den meisten Schülern und Lehrern geschätzt. Gewalt ist an dieser Schule fast kein Thema. Anlässlich des 50jährigen Jubiläums des Gymnasiums Warstade 1996 bezeichnete Ulrike Wolff-Gebhardt, Regierungspräsidentin der Bezirksregierung Lüneburg, die Schule als eines der ersten Gymnasien des Landes Niedersachsen, das in einem durch bäuerlich-dörfliche Strukturen bestimmten Raum gegründet wurde und damit die Forderung nach Chancengleichheit in einer frühen Phase verwirklichte.
2021 wird das Gymnasium Warstade sein 75-jähriges Jubiläum feiern, leider zu früh, um die derzeit vom Landkreis geplanten baulichen Maßnahmen, die u.a. den Bau einer Aula und einer Mensa sowie den Abriss des „Pappkartons“ umfassen sollen, in die Feiern mit einzubeziehen.
Diese kurzgefasste Chronik geht im Wesentlichen auf eine Darstellung von Helge Hansmann (Abitur 1999) zurück, die in der Jubiläumsausgabe der NEZ 1998 erschien. Sie wurde im Frühjahr 2005 ergänzt – als Beitrag für die Festschrift „750 Jahre Warstade“. Eine weitere Aktualisierung erfolgte im März 2020.