Portland

Die Entwicklung von Alt-Hemmoor, Westersode, Warstade nach Gründung der Zementfabrik



Um 1500 hatte Westersode 8 Gehöfte und 6 Katen, Warstade 11 Gehöfte und 4 Katen, Hemmoor gab es noch nicht.
Die Bauern waren aber nicht Besitzer der Höfe und Katen. Besitzer waren die Grundherren. Die Bauern mussten ihren Grundherren bis ins 19. Jahrhundert „Meierlasten“ (Pacht) bezahlen, die meistens aus Geld, Naturalien und auch aus Dienstleistungen für den Gutsherren bestanden. So waren in Westersode und Warstade vorwiegend die von Marschalck, die Grafen von Brobergen, das Kloster Himmelpforten, das Kloster Harsefeld, das Amt Bremervörde, der Pastor und die Kirche Lamstedt sowie der Vogt zu Lamstedt die Grundherren.
Erst durch die Gemeinheitsteilungen (eine Art Flurbereinigung) in den Jahren 1800 bis 1820 wurde den Bauern Land zugewiesen. Sie mussten sich vorher durch Zahlung einer größeren Geldmenge an den Gutsherrn von ihren Meierlasten freikaufen.
Die Bewohner der Dörfer waren sehr arm, das Land brachte kaum Ertrag. Kunstdünger kannte man nicht. Es ist überliefert, dass auf einem mittleren Bauernhof (½ Höfner = ca. 50 ha) ein geschlachteter Ganter den Fleischbedarf der Familie für das ganze Jahr deckte.
Durch Torfgraben und –verkaufen, in Westersode durch Löffelschnitzen (Lepeldörp), Strümpfestricken u. ä. wurden geringe Nebenverdienste erzielt.
Außerdem gingen vor allem junge Männer für 3 – 4 Monate nach Holland, um dort in der Landwirtschaft zu helfen, und kehrten dann mit 30 – 40 Thalern Verdienst zurück (Hollandgänger).
Unter diesen Bedingungen war die Gründung der Kalkbrennerei und einer Ziegelei im Jahre 1862 und der Zementfabrik 1866 ein Segen für die gesamte Gegend.
Da so viele Menschen vor Ort ihr Geld verdienen konnten, wurden die o.g. Tätigkeiten aufgegeben. Später vermieteten andere Zimmer an die Fremdarbeiter (Lippscher), die von der Zementfabrik von außerhalb angeworben wurden, da in Hemmoor und Umgebung nicht so viele Arbeiter zur Verfügung standen.

Die Einwohnerzahl stieg ständig an:

Im Jahre:       1821  1848  1858  1867  1871  1885  1895  1905  1925  1933  1939  1950

Hemmoor:       73      110    140   186    197    354    539    767    483    452    448    555                              

Westersode:    323     410    453   545    538  1075  1334   1723  1185 1195  1062  1161

Warstade:        322     571    645   718    736  1290  1813   2121 1604  1588  1589  1862

Zahl der Wohnhäuser:

Im Jahre:        1500   1535   1579   1594   1638   1647   1662   1690   1756   1821

Hemmoor:          –         –         –         –           –        14        17       16       16      17

Westersode:       14      13       17       ?         40       44        37       35      47       57

Warstade:           15      14       17      19        30      34        29       44       53      57

Im Jahre:         1848   1871   1885   1895   1910   1925   1939   1950

Hemmoor:         25       33       47       67       98       87      106     116

Westersode:       59     101      148    184      237     221     231     237

Warstade:           99     135      179    240      309     305     356     365              –  11  –

Aus diesen Aufstellungen ist zu ersehen, dass um 1900 die Einwohnerzahl (die auswärtigen Arbeitskräfte, die „Lippscher“ wurden mitgezählt, 1950 auch die Flüchtlinge) in allen drei Orten stark zunahm, besonders in Warstade. Es entstand Neu–Warstade, von der Zementfabrik bis zum Kriegerdenkmal, auf dem „Kümmelberg“, „Kömberg“, weiter entstanden Arbeiterwohnungen „An der Pferdebahn“ und auf der Herrlichkeit. In Westersode die Siedlung „Auf den Äckern“. Auch auf dem „Rauhen Berg“ wurden Häuser gebaut. Die hohe Einwohnerzahl brachte es mit sich, dass viele Handwerksbetriebe bzw. Geschäfte gegründet wurden. Dadurch erhöhte sich der Verdienst der Einheimischen.

Die Zementfabrik wollte auch mitverdienen und richtete Konsumgeschäfte ein. Gleichzeitig organisierte sie am Zahltag einen Markt. Die Buden standen vom Fabrikausgang bis zur Gastwirtschaft Jürgens. Die Fremdarbeiter kauften oftmals so viel, dass sie keinen Lohn mehr bekamen. Ihre Schulden in den Konsumgeschäften, auf dem Markt und auch in den Gastwirtschaften wurden von der Geschäftsleitung mit dem Lohn verrechnet.

Auf der anderen Seite leistete die Fabrik u.a. finanzielle Hilfe beim Straßenbau und deren Unterhaltung, beim Bau der beiden Kirchen.

Die Entwicklung des Hafens Schwarzenhütten ist ohne Ausbau der Zementfabrik als Betreiber undenkbar. Um 1842 wurde der Hafen für die Verschiffung von Ziegelsteinen ausgebaut, die nach dem großen Brand in Hamburg in riesigen Mengen benötigt wurden. Außerdem wurden hauptsächlich Torf, Brennholz, Stackbusch und Pfähle verladen.

Verbunden war der Hafen mit der Fabrik mit einer Pferdebahn. Ab 1895 brachten Loks den Zement zum Verladen nach Schwarzenhütten. Auch wurde eine Gastwirtschaft von der Fabrik gebaut.

Der heutige Baustoffmarkt „Teambau Center“, vormals „Zuhr & Köllner“, war eine Tochtergesellschaft der Zementfabrik.                               

 Fazit: Die gesamte Region um Hemmoor profitierte von der Zementfabrik. So war die Stilllegung des Unternehmens im Jahre 1983 ein schwerer Schlag nicht nur für die Beschäftigten, sondern auch für die Steuereinnahmen der Gemeinden. Viele Betriebe und Geschäfte in den drei Orten existieren heute nicht mehr.

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